Von Premieren und den Wurzeln der Rockmusik

2018 06 Rockids

Der Song klang irgendwie vertraut. Ein bisschen Folk, klassischer amerikanischer Rock, ein eingängiger, absolut radiotauglicher Refrain: „Rebels, Poets and Lovers“. Klingt gut - aber von wem ist das Stück eigentlich? Die Zuhörerinnen und Zuhörer in der voll besetzten Aula des Clemens-August-Gymnasiums mussten nicht lange auf die Antwort warten: Der Song über „Rebellen, Dichter und Liebende“ ist eine Eigenkomposition, geschrieben und arrangiert von den „RocKids“, der Schul-Rockband des CAG, und ihrem Leiter Jens Scholz. „Rebels, Poets and Lovers“ war die erste Premiere des Abends. Weitere sollten folgen: Nachdem im vergangenen Jahr viele bewährte Musikerinnen und Musiker das CAG und damit auch die Band verlassen hatten, stand nun eine neue, junge Formation auf der Bühne. Für viele war es der erste Auftritt vor größerem Publikum überhaupt.

Gerade angesichts der sehr jungen Band passte der eröffnende Song, der zugleich das Motto des Abends vorgab, hervorragend: Rockmusik lebt eben von Rebellion, großen Gefühlen und packenden Textzeilen. Die neuen RocKids begannen ihre hoffentlich lange Bühnenlaufbahn also an der Quelle ihrer Musik. Zugleich bot das Thema Raum für einige der größten Klassiker der Rockgeschichte, populäre neuere Songs, aber auch für einige vielleicht weniger bekannte musikalische Perlen.

Mit einem aktuellen Hit ging es nach dem Opener weiter: „Sign of the times” von Harry Styles. Der Song wurde von Sängerin Anne Kleier emotional eindringlich, aber auch mit hörbarer Freude an den sehr eingängigen Melodien dargeboten. Eine bemerkenswerte Leistung – zumal da sie ihr erstes komplettes Konzert mit der Band bestritt. Der Klassiker „Losing my religion“ von REM bescherte dem Publikum nicht nur den hervorragenden Gesang von Joshua Mews, sondern auch wichtige Erkenntnisse zu Mandolinen: Jens Scholz griff – eine weitere Premiere – zu diesem eher kleinen Instrument, das nach seinen Aussagen „die Hände eines Kapuzineräffchens und die Kraft eines Bergarbeiters“ erfordert. Wie vielfältig „Rock“ sein kann, stellte anschließend Lan Anh Vu mit einer ebenso berührenden wie virtuosen Solo-Darbietung am digitalen Piano unter Beweis. Die ehemalige Keyboarderin der „RocKids“ war eigens für diesen und einen weiteren Auftritt im zweiten Teil des Programms noch einmal auf die Bühne zurückgekehrt. Mit dem „Poeten“ Bob Dylan und seinem „Like a rolling stone“ ging es weiter. Spätestens hier zeigte sich eine besondere Stärke der „RocKids“: Die große Besetzung. Um möglichst vielen jungen Talenten die Chance zu geben, sich vor Publikum zu präsentieren, sind bei der Rockband des CAG öfters bis zu 4 Gitarristinnen und Gitarristen sowie zwei sich abwechselnde Keyboarderinnen und mehrere Sängerinnen im Einsatz. Gerade letztere sind nicht nur Markenzeichen der Band, sondern machen auch ihren besonderen Reiz aus: Bis zu 5 Sängerinnen, von denen jede eine herausragende Solistin ist, im Wechsel zwischen Solopartien und perfektem Chorgesang – was will man mehr? Klar in die Rubrik „Rebels“ fielen die letzten drei Songs vor der Pause: „Whataya want from me“ von „Pink“ überzeugte durch seinen modernen Groove und den virtuosen Gesang von Kyra Abeln. „Rebel Yell“ von Billy Idol durfte angesichts des Mottos des Abends natürlich nicht fehlen. Eine laute, druckvoll agierende Band, dazu die „Rockröhre“ von Laura Halimi – zweifellos einer der Höhepunkte des Abends. Der nächste Kracher folgte direkt danach: „Proud Mary“. Die „RocKids“ orientierten sich dabei nicht am Original von „Creedence Clearwater Revival“, sondern an der wesentlich rockigeren Variante von Tina Turner. Besonders beeindruckend war hierbei der Gast-Auftritt von „ex-RocKid“ Lena Niehoff: Enorme Power, starke Bühnenpräsenz, Sicherheit auch bei Tonlagen-Wechseln auf höchstem Schwierigkeitsgrad – so soll Rock-Gesang klingen.

Angesichts dieser geballten Energie gingen manche Zuhörer etwas verwundert in die Pause: Vollgas schon zur Hälfte des Konzerts? Songs, die ein furioses Finale abgegeben hätten, so früh? Wie soll jetzt noch eine Steigerung möglich sein?

Die Steigerung war möglich – allerdings nicht in Richtung „härter, schneller, lauter“. „Castle of Glass“ von „Linkin Park“ fällt in die Kategorie „ungewöhnliche Songs von ungewöhnlichen Bands“. Hier zeigten die „RocKids“, dass sie auch abseits üblicher Rock-Pfade mit sicherem Gespür den richtigen Weg finden können. Mit der Ballade „only one“ von Sam Smith erfüllte sich Sängerin Kyra Abeln einen persönlichen Musikwunsch und schuf zugleich die aufmerksame und ruhige Stimmung für ein weiteres Highlight des Abends, das auch wiederum eine Premiere darstellte. Liana Ijjo geht in die fünfte Klasse. Für das Funkmikrofon benötigte sie zeitweise auch beide Hände. Stimmlich gehört sie aber bereits zu den Großen. Ihre Interpretation der Ballade „Uncover“ von Zara Larsson, bei der sie zurückhaltend und feinfühlig von Anne Kleier unterstützt wurde, riss das Publikum förmlich von den Sitzen. Verdiente stehende Ovationen für wirklich magische Momente.

Das diesmal noch virtuosere Keyboard-Solo von Lan Anh Vu war ein passender Anschluss, bevor es wieder in gewohntere Rock-Gefilde zurückging. Bei „Galway Girl“ zeigte Joshua Mews, dass er nicht nur eine wunderbare Stimme, sondern auch ein besonderes Talent für Songs von Ed Sheeran besitzt. Mit dem britischen Sänger ging es auch weiter. „Everything has changed“ wurde bekannt durch seine Kooperation mit Taylor Swift. Einen passenderen Song hätte es für die Stimmen von Joshua Mews und Anne Kleier kaum geben können. Die beiden überzeugten mit einem packenden Duett.

Wenn es um die Kreuzung von Rock und Funk und um äußerst vertrackte Rhythmik geht, wissen Rockfans, welche Band gemeint ist: Die „Red Hot Chilli Peppers“. Deren Hit „Can’t stop“ stellte die gesamte Band vor enorme technische Herausforderungen – die auch dank intensivster und harter Probenarbeit aber gemeistert wurden. Den offiziellen Abschluss des Konzerts sollte „Home is where your heart is“ von den „Sounds“ bilden. Laura Halimi, Anne Kleier und Kyra Abeln agierten hier als harmonisches Trio. Sie zeigten zum einen, dass sie jeweils über ganz eigene stimmliche Qualitäten und einen eigenen Stil verfügen, zugleich aber auch alle mit ganzem Herzen in der Rockmusik zu Hause sind.

Dass die Band nicht ohne Zugaben die Bühne verlassen durfte, verstand sich nach diesem begeisterternden Auftritt von selbst. Mit „Rebels, Poets and Lovers“ wurde der Bogen zurück zum Anfang und zum Thema des Abends geschlagen, bevor mit „Proud Mary“ noch einmal einfach Gas gegeben wurde. So bleibt am Ende nur zu hoffen, dass die vielen neuen Talente den „RocKids“ erhalten bleiben. Die Premiere jedenfalls machte Lust auf mehr.